ANNAKIN über Recherchen bei der NASA, alte Instrumente und ihren Lieblingsplaneten

Ich hatte Lust, mehr zu experimentieren.

Mit «Flowers on the Moon» veröffentlicht die Schweizer Sängerin und Komponistin ANNAKIN am 16. September ihr neues Album. Das fünfte Werk ist ein Konzeptalbum, auf dem sich die Schweizerin den sieben Himmelskörpern widmet, die unseren Wochentagen ihre Namen gaben: Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus, Saturn und Sonne. Das Album nimmt die Zuhörenden auf eine 41-minütige Reise durch Raum und Zeit. Im Email-Interview mit miwi.ch spricht Ann Kathrin Lüthi über die Idee und die Entstehung der elf Songs. 

Ann Kathrin, wie bist du auf die Idee gekommen, ein Konzeptalbum über Planeten zu schreiben?
ANNAKIN: Nachdem ich schon einige Songs geschrieben hatte, kam mir die Idee, ein Lied über den Mond zu schreiben. So entstand das Titelstück «Flowers on the Moon». Danach tauchten die Themen Zeit und Raum immer wieder in meinen Texten auf und irgendwann kristallisierte sich dieses Thema dann heraus. Danach war alles viel einfacher und gleichzeitig immer spannender, weil dieses Thema so ergiebig ist.

Im Booklet schreibst du, dass die Informationen über die Planeten von der Webseite der NASA stammen. War das der Beginn der Recherche zum Album?
Die Website der NASA war natürlich gerade für Songs wie «Albedo», bei dem es um den technischen Aspekt der Lichtreflexion geht – sehr wichtig. Die Mythologie des Wolfs der die Sonne frisst («The Wolf and the Sun») stammt aber beispielsweise von einer Sage, die ich noch etwas «gepimpt» habe mit eigener Poesie und einer These aus J.R.R. Tolkiens Silmarillion, wo es grob gesagt um Licht und Dunkelheit, respektive das Gute und das Böse geht. Ich habe relativ breit recherchiert, wobei die Dokumentationen der NASA aber zu meinen Hauptquellen gehörten.

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Einen Planeten zum „Tönen“ zu bringen, stelle ich mir dennoch sehr schwierig vor?
Die Tonaufnahmen der NASA vom Universum und von den Planeten diente mir hierzu als wichtige Referenz. Man hört darauf die durch Reibung entstehenden Geräusche der Planeten unseres Sonnensystems, die von der NASA fürs menschliche Ohr hörbar gemacht wurde. Ich habe einen dieser Klänge imitiert mit einer Glasharfe auf «Saturn’s Anthem». Es ging mir aber auf dem neuen Album auch darum, Geschichten zu erzählen, die thematisch mit den Planeten verknüpft sind – sei es philosophisch, astrologisch, mythologisch oder geografisch.

Was war dir beim Erarbeiten der Songs am Wichtigsten?
Für mich steht immer die Musik im Vordergrund. Ich arbeite an einem Track bis er etwas in mir auslöst, wenn ich ihn mir selber anhöre. Dann weiss ich, dass er stark ist.

Wie lange hast du für das Erarbeiten der Songs gebraucht?
Ich habe im März 2015 angefangen zu schreiben. Im April 2016 waren wir fertig mit dem Mastern. Also ein gutes Jahr.

Ich finde den Mond sehr spannend.

Wie stehst du selber den Planeten und dem Universum gegenüber?
Ich finde es unglaublich spannend zu wissen, dass wir im Grunde genommen erst einen Bruchteil des Universums kennen. Ausserdem relativiert die Grösse des Universums uns als Mensch und unsere alltäglichen Sorgen beträchtlich. Ich beziehe mich darauf im Titelstück, wenn ich singe «… in the end all unites by time / in the end i am just passing by», also: Am Ende ist alles miteinander verbunden, und die Zeit ist das Bindeglied. Am Ende bin ich nur ein Mensch, der vorbeizieht.

Nun hast du dich intensiv mit den Planeten beschäftigt: Welches ist dein Lieblingsplanet, wieso? In welchen Planeten findest du dich zudem am ehesten wieder?
Ich denke, es ist der Mond. Aber vielleicht auch nur, weil wir ihn von der Erde aus sehen können, zumindest die der Erde zugewandte Seite. Ich finde ihn und die ganze mythologische Bedeutung in Zusammenhang mit der Sonne sehr spannend. Dem Mond wird ja immer ein gewisses Eifersuchts- und Abhängigkeitsverhältnis zur Sonne zugeschrieben, wobei es um den Kampf um Licht geht. Dieses Thema behandle ich in meinem Sonnenlied «Beauty of an Abandoned Place». Erst als das Album fertig aufgenommen war, bemerkte ich, dass der Mond nicht nur in den beiden Mondsongs vorkommt, sondern er noch auf vier weiteren Tracks eine Rolle spielt, wie übrigens auch die Sternen. Der Mond strahlt für mich etwas Poetisches und gleichzeitig Mysteriöses aus – vielleicht finde ich mich deshalb am ehesten in ihm wieder.

Was musikalisch auffällt, ist das musikalische Experimentieren und ein minimalistischer Einsatz von Instrumenten. Weshalb hast du dich dazu entschieden?
Wir haben uns für eine relativ radikale Instrumentierung entschieden. Das Album wechselt ja ab zwischen dominanten, dicht arrangierten Tracks wie «Mars», «Beauty of an Abandoned Place» oder «The Wolf and the Sun» und den karger arrangierten Liedern, wie beispielsweise «Venus» oder «Taken Apart». Wir haben so versucht die Tiefe und das Immense aber auch die Einsamkeit des Universums zu reflektieren.

Zum Einsatz kommen auch ein Marxophone, das indische Streichinstrument Sarangi sowie eine Phonofiddle und ein Harmonium. Was stösst man auf solche Instrumente?
Ich habe nach jemandem gesucht, der antike, spezielle und zum Teil auch seltene Instrumente spielt. So bin ich auf den Londoner Multiinstrumentalisten Ben Christophers gestossen. Er hat eine ganze Sammlung davon und es war perfekt, mit ihm zu musizieren und Dinge ausprobieren zu können, bereits in einer frühen Phase der Produktion.

Ein Highlight an den Konzerten wird der Männerchor sein.

Weshalb hast Du genau diese Instrumente für dieses Album gewählt?
Es wurde mir nach der letzten Tournee, während der ich diverse akustische Konzerte gegeben habe, klar, dass das fünfte Album ein akustisches werden würde. Es war mir aber wichtig, dies nicht einfach mit herkömmlichen Instrumenten zu tun, sondern einen bestimmten Klang zu finden, der den Grundton des Albums angibt.

Gespielt werden sie von Multiinstrumentalist Ben Christophers. Wie viel hat er zur Entwicklung des «Universum-Sounds» beigetragen?
Er hat einen wichtigen Teil dazu beigetragen. Zum Beispiel waren das Sarangi, das wie das Surren von Drohnen tönt auf dem Merkur-Track «Pauper’s Dream» oder das Marxophone, das wir mal als «Donnerwetter» in  «Taken Apart», mal als «Sternenglitzer» auf «Venus» eingesetzt haben, essentiell für den Sound auf «Flowers on the Moon».

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Wie unterscheidet sich das fünfte Album sonst gegenüber früheren Alben von dir?
Ich hatte Lust, nach meinen vier eher poppigeren Alben musikalisch mehr zu experimentieren. Ich finde, es ist dadurch ein enorm spannendes und dramaturgisch schönes Album entstanden. Auch ist es das erste Album, auf dem ich viele der Instrumente selber arrangiert und zum Teil selber eingespielt habe. Daher ist es bestimmt das bisher persönlichste Album.

Du trittst Ende September auch mit deiner Band auf. Wie wird die Musik des Albums live umgesetzt?
Mit Streichern, Bläsern einer tollen Band und ein paar Instrumenten, die auf der Bühne stehen und gespielt werden von denjenigen Musikern, die dann gerade nichts anderes spielen. Eines der Highlights dabei wird bestimmt auch der Männerchor sein, den ich dabei haben werde. Einige Klänge, die wir auf dem Album eingespielt haben, sind live nicht reproduzierbar. Das Marxophone zum Beispiel ist ein Albtraum auf der Bühne, weil es so alt ist, dass es sich immer wieder verstimmt. Die Streicher werden eine wichtige Rolle haben und beispielsweise auch die Harfenklänge ersetzen. Ich freue mich auf alle Fälle riesig auf die Konzerte.

Was sollen die Zuhörenden vom neuen Album mitnehmen?
Ein 41 minütiges Timeout vom stressigen Alltag auf der Erde.

Das Album von ANNAKIN ist ab dem 16. September erhältlich und kann hier auf iTunes vorbestellt werden. Mehr über die Künstlerin gibt es unter annakin.net. Die Konzerte finden am 27. September im Kaufleuten in Zürich und am 8. Oktober in der Dampfzentrale in Bern statt.